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Präsentation einer Multimediaschau mit Vortrag zur Eröffnung von:

computerkunst/ computerart 2000

Vortragstext: Institute of biogenetic art (Ibga)

Ziele des Ibga

Das Ibga widmet sich der Entwicklung postevolutionärer biogenetischer Ästhetik. Das primäre Forschungsparadigma des Ibga ist die Ablösung von evolutionsdeterminierten Form- und Schönheitsvorstellungen. Ziel des Instituts ist es, zweckfreie Ästhetik in die Sphäre biologischer Existenz zu transferieren.

Struktur des Ibga

Das Institut besteht aus drei Hauptabteilungen: der Produktentwicklung mit den Unterabteilungen Postevolutionäres Körperdesign und Simulation genetischer Vitalplastik, der Grundlagenforschung mit den Sparten Künstliche Fantasie, Rekonstruktionsästhetik, Physiologisches Modellieren und Evolutionskreativität und der Produktvorstufe mit der Unterabteilung Evolutionsbasierte Optimierung biologischer Einheiten.

Forschungsansatz des Ibga

Ausgehend von zeitgenössischen Simulationstechnologien wird im Ibga Modellbildung als Vorstufe für frei gestaltbare organisch-vitale Einheiten betrieben. Zukünftige genetische Kreativtechniken werden die digitalen Prototypen als konkrete vital-skulpturale Einheiten ermöglichen. Die postevolutionäre organische Skulptur stößt damit in vollkommen neue Gestaltungsdimensionen vor.

Im Ibga wurden Methoden entwickelt, welche die humane evolutionsbedingte Fantasiebarriere minimieren. Im Vordergrund stehen computergestützte Verfahren, die auf formalkognitiven und aleatorischen Ansätzen basieren. Forschungen zur algorithmischen Kompositionssteuerung zielen darüber hinaus auf absolute postevolutionäre Ästhetik.

Für die Ableitung postevolutionärer Ästhetik wird im Ibga umfassende Grundlagenforschung betrieben. Eine Ressource für die Entwicklung neuer Gestalt- und Schönheitsbegriffe ist die Analyse, digitale Rekonstruktion und virtuelle Vitalisierung historischer Humandarstellungen (Rekonstruktionsäsethtik) mit dem Ziel sequenzieller Darstellungsvariationen.
Dem verwandt forscht die Abteilung “Physiologisches Modellieren” nach natürlich erzeugbaren, extremen Körperformen. Methoden automatischer Variation und statistischer Optimierung ergeben, angewandt auf beide Forschungsbereiche, grundlegende ästhetische Kriterien für die Produktentwicklung.

Die Bereitstellung einer umfassenden Datensammlung von natürlich entstandenen Vorformen postevolutionärer Ästhetik ist Aufgabe der Abteilung Evolutionskreativität. Bereits existierende Objekte mit physikalisch-chemischen und/oder genetischen Defekten werden hier nach verwertbaren Mustern untersucht und digital rekonstruiert.

Zwischen Grundlagenforschung und Produktentwicklung ist die Abteilung Evolutionsbasierte Optimier u ng angesiedelt. Hier werden - orientiert an humanen Idealen - genetisch und kybernetisch verbesserte biogenetische Einheiten konzipiert.


Skizze der ästhetischen Kriterien und Methoden postevolutionärer Ästhetik

Ein wesentliches und prägendes Moment menschlichen Schönheitsempfindens ist die Wahrnehmung der Überlebensfähigkeit von Artgenossen anhand der äußeren Erscheinung. Von der eigenen Seinsform abgeleitet, werden evolutionär optimierte Merkmale wie körperliche Symmetrie und das Ebenmaß körperlich funktionaler Formzusammenhänge als ästhetisch attraktiv empfunden. Neben den genetischen Faktoren spielen dabei auch Umweltbedingungen und kulturell entwickelte Verfremdungstechniken eine große Rolle. Beispielsweise zeigt die Körperfülle den Ernährungsstatus einer Person, was in Mangelgesellschaften Indikator für Attraktivität ist. Allerdings sind sekundäre Attraktoren gegenüber den primären, genetisch determinierten Faktoren nicht konstant. Außerdem besteht mit zunehmender gesellschaftlicher Entwicklung zusätzlich die Tendenz, Dinge wie Besitz und Status als Substitute von Schönheit unabhängig von der körperlichen Erscheinung zu akzeptieren. Die jeweiligen historischen Lebensumstände bestimmen wesentlich die Ausprägung dieser sekundären Schönheitsmerkmale. Die primäre Empfindung von Schönheit ist instinktiv und unterbewußt an die Wahrnehmung optimaler Fortpflanzungs- und Überlebensmöglichkeiten gekoppelt. Diese Schemata werden mehr oder weniger bewußt auf andere Dinge mit dem Attribut der Schönheit übertragen, z.B. auf Tiere und Pflanzen aber auch auf Dinghaftes wie Gebrauchsgegenstände, Kleidung, Werkzeuge und Behausungen. Daß diese Entwicklung ästhetisch vollkommen irrational ist, zeigen biologisch ebenfalls optimal ausgestattete Wesen, die aber, je weiter sie vom System Säugetier abweichen, als häßlich oder sogar ekelhaft erfahren werden.

Ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so homogenes Kriterium läßt sich aus der Genießbarkeit von Dingen ableiten. Pflanzen zum Beispiel, die aus Eigeninteresse eßbare Hüllen um die Samen ausbilden, haben in der Regel markante visuelle Attraktoren, z.B. kontrastreiche, reine Farbgebung. Diese Ästhetik wird vom Nahrungssucher als schön empfunden, weil sie für ihn direkt nützlich ist. Auch hier gilt, wie oben schon, was nützlich für das Überleben ist, wirkt schön.

Die auf das Sammeln folgenden Arten der Nahrungsbeschaffung wie die Jagd oder der Ackerbau sind intellektuell und ästhetisch komplexer. Hierbei ist die intellektuelle Einsicht in den Nutzen des Zielobjekts nicht kohärent mit den ästhetischen Affekten. Am Beispiel der Jagens und Fleischessens wird deutlich, daß der genuine menschliche Ekel vor dem Anblick zerrissener, verwundeter Körper und zerschlagener Knochen durch die Erkenntnis der ernährungsmäßigen Relevanz überwunden wird. Doch der Steigerung der Überlebensfähigkeit durch bessere Nahrung folgen keine Entsprechungen in ästhetischen Äußerungen. Im Gegenteil: hier wird die Erscheinung der besserwertigen Nahrung nicht in eine Ästhetik des Schönen sondern in eine der Abschreckung und Abwehr gebracht, z.B. Geisterabwehr durch Totenschädel. Auch die Abneigung vor Erdigem, Schlammigem, Knolligem etc. im Ackerbau wird auf Grund rationaler Erfahrung überwunden. Die industrielle Nahrungsmittelproduktion zeigt deutlich die ästhetischen Konsequenzen auf. Homogenisierte und von der Naturform abstrahierte Produkte beherrschen das Angebot. Die ursprüngliche Ästhetik von Fleisch und Wurzeln wird möglichst versteckt. Nicht ohne Grund. Zur Ableitung von ästhetischen Vorstellungen hat diese, auf den Menschen als tiergleichem Sammler folgende Nahrungsbeschaffungsform offensichtlich kaum geführt. Das Schönheitsempfinden leitet sich im wesentlichen immer noch aus der primitivsten affektiven Wahrnehmung gattungsspezifischer, individuell vermehrungsrelevanter visueller Fakten ab. Selbst die Ansätze der Bildenden Kunst, die diese Schemata im letzten Jahrhundert graduell negierten (DADA, Surrealismus, Verismus, art brut etc.), haben zwar zur Reflexion, aber in letzter Konsequenz nicht zu einer Veränderung des evolutionsdeterminierten Schönheitskanons beigetragen.

Ein weiteres, hier relevantes Merkmal des natürlichen Menschen ist, daß er nur sehr eingeschränkt in der Lage ist, komplexe dynamische Systeme aufzunehmen und bewußt zu erfassen. Daraus leitet sich phylogenetisch das Bestreben nach einfacher Funktionalität und einfacher ästhetischer Ordnung ab. Der Mensch strebt unbewußt nach vereinfachenden Modellbildungen und Inertialsystemen. Dies gipfelt in der klassischen Reduktion der Welt und Schönheit auf die einfachsten geometrischen Grundkörper und mündet in die Suche nach dem "Schönen selbst". Diese Simplifizierung wird als schön bewertet. Sie läßt sich überschauen und beherrschen, ist bequem und angenehm für ein auf Ruhe und Statik bedachtes Bewußtsein. Die reale, dynamische, komplexe Welt entspricht dem selbstverständlich nicht, sie ist für den Menschen sinnlich und rational kaum zu erfassen. Daraus folgt, auch postevolutinäre Schönheit ist für Menschen nicht intuitiv zu erschließen. Nur mit streng rationalen Verfahren lassen sich Ausschnitte aus dieser komplexeren Schönheit konstruieren und modellhaft abbilden. Mit Hilfe visualisierender Modelle und Prototypen dürften aber komplexere reale und künstliche Strukturen mittelfristig intelektuell als schön empfunden werden können.

Produktkonzeption des Ibga

Das primäre Produktziel des Ibga ist die Konzeption neuer biologischer Seinsformen ohne den Makel evolutionärer Determination. Der erste Schritt dorthin ist die Modellbildung und die Konzeption von Verhalten. Die Modelle und daraus folgende biologische Einheiten werden ästhetisch, funktional und kognitiv frei von existenzsichernden Einschränkungen sein. Ihre Form ist nicht durch sexual-soziale Kriterien begrenzt. Die Funktion richtet sich nicht nach den primitiven Maximen schneller, stärker etc. der terrestrischen Evolution, sondern ist vollkommen frei. Die kognitiven Eigenschaften sind nicht affektiv auf gewinnen, beherrschen, zielgerichtet handeln etc. ausgerichtet. Die Produkte werden genetisch determiniert und frei von vitalem Zwangsdenken sein.

Die Produktentwicklung umfaßt drei aufeinander aufbauende Entwicklungsstufen. Monopersonale Einheiten (mpe) bilden den Anfang. Sie sind logisch vergleichbar mit evolutionären Humanindividuen. Ihre organische, skelettale und sensorische Ausstattung ist in der ersten Aufbaustufe quantitativ und funktional dem genetisch ausentwickelten natürlichen Menschen strukturell vergleichbar. Die mpe haben nur ein Gehirn. Die in dieser ersten Konzeption vorliegende, relativ enge Orientierung an natürlichen Vorbildern ist ein Durchgangsstadium auf dem Weg zu freien funktional-ästhetischen Dimensionen. Mikrosoziale Einheiten (mse) verbinden genetisch mindestens zwei monopersonale Einheiten. Sie sind mono- oder multigeschlechtlich konfigurierbar. Diese Produkte bildeten einen organischen Komplex mit mehreren Gehirnen. Den letzten Schritt bilden multigenetischen Einheiten (mge). Hier werden komplexe, gattungsübergreifende Gendesignmöglichkeiten antizipiert und zu Modellen organischer Einheiten verbunden. Diese Produktstufe ist als monopersonale wie als mikrosoziale Einheit konfigurierbar.

Am weitesten in der Entwicklung fortgeschritten ist das postevolutionäres Porträtdesign (pep). Diese Forschungsprojekt wurde vorrangig behandelt, weil hier das ästhetisch dominante humane Wirkzentrum ist, folglich Designentwicklungen hier am ehesten auf Kernprobleme stoßen muß. Schönheit bezogen auf ein menschliches Individuum bezieht sich ästhetisch auf die äußere körperliche Erscheinung. Der Kopf ist dabei der funktional und ästhetisch komplexeste Teil des Körpers. Die kommunikativen Ausdrucksaspekte, die Konzentration der wichtigsten Sensoren und die hervorgehobene Körperposition machen das Gesicht zum primären Gegenstand der Schönheitsbeurteilung.

In der Phylogenese des Menschen sind deshalb die Körpermerkmale des Kopfes am stärksten Ziel gestalterischer Beeinflussung. Den Anfang machten Bemalungen, Schmucknarben und Masken, wie sie heute noch bei so genannten Naturvölkern zu sehen sind. Besonders die Technik der Bemalung wurde bis in die Gegenwart insbesondere vom weiblichen Teil der Spezies zur visuellen Angleichung der Gesichtszüge an maximale Zuneigung erzeugende Attraktoren kultiviert. Die plastische Chirurgie brachte im letzten Jahrhundert erstmals umfassende gestalterische Möglichkeiten hervor, die eine reale Veränderung der physischen Erscheinung, unter anderem der Gesichtsphysiognomie, zuließen. Das Gesicht ist auf Grund seiner hervorragenden Bedeutung für evolutionär determinierte Schönheitsvorstellungen und in Anbetracht der Unmenge von künstlerischen Bearbeitungen und Schematabildungen für die Ableitung postevolutionärer Schönheitskriterien eminent wichtig. Im Forschungsbereich PeP wurde unter der Projektleitung von Elysa Assiduité empirisch aus dem am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts in Westeuropa und Nordamerika vorherrschenden Schönheitsideal ein Kanon von typischen Schönheitsmerkmalen bestimmt. Dieser Kanon stellt einen Parametercluster von formalen Normalgrößen dar, der sich auf dreidimensionale Modelle übertragen läßt. Auf der Datenbasis dieser humananalogen Idealtypen wurden ab 1999 in systematischen parametrischen Modifikationsreihen erste Porträtmodelle entwickelt, die einer postevolutionären Ästhetik entsprechen.

Erste Produkte des Ibga

Der erste Ansatz zur Entwicklung der gestalterischen Verfahren sind optimierte evolutionsbasierte Einheiten (oee). Die konzeptionelle Grundidee der Abteilung “Evolutionsbasierte Optimierung” geht von Potentialen aus, die sich genetisch und ideologisch aus der finalen Spezies Homo Sapiens ableiten lassen.

Die Leitlinen der Konzeption orientieren sich ästhetisch und funktional an menschlichen Omnipotenz- und Idealvorstellungen. Humane Wunschprojektionen des Seins übersteigen naturgemäß biologisch evolutionär erwartbare Möglichkeiten. Sie sind darüber hinaus in der Totalität widersprüchlich und lassen sich deshalb aus logischen Gründen nicht praktisch vereinen. Um irrationale Prototypen auszuschließen, werden die “Optimierten evolutionsbasierten Einheiten” (oee) auf spezifische Partialideale hin optimiert.

Die oee sind konzeptionell pragmatisch anwendbare Einheiten, die je nach Bedarf und Absicht mit spezifischen körperlichen und geistigen Eigenschaften auf genetischem Wege und postnatal mit Implantaten modifiziert hergestellt werden. Wir unterscheiden bei den oee zwei Produktlinien. Die oee- Typ b werden auf rein biologischer Basis durch Gengestaltung determiniert. Die oee - Typ k sind zusätzlich mit elektronischen Implantaten und Schnittstellen ausgestattet.

Oee sind nutzbringend in dem Sinne angelegt, daß sie Fähigkeiten haben, die natürlich erzeugte Menschen in dieser Qualität und Quantität nicht aufweisen. Die physische Belastbarkeit ist nur durch terraspezifische biophysische Determinanten begrenzt, innerhalb dieses Rahmens aber frei definierbar. Bei der Gestaltung der oee können benötigte Potenzen maximiert und nicht gewünschte Eigenschaften eliminiert werden. Ein wesentlicher Vorteil der oee gegenüber reinen elektromechanischen Handhabungsautomaten ist die graduelle Programmierbarkeit ihres menschenähnlichen Denkens. Der Vorteil gegenüber natürlichen Menschen ist, daß sie kein affektgesteuertes Verhalten aufweisen. Da sie standardmäßig keine pseudosinnhaften evolutionären Motivationen wie Überlebens- und Fortpflanzungstrieb besitzen, sind sie frei konditionierbar.

Mit den oee wird eine Mehrfachstrategie verfolgt, die wir unter das Motto ”Akzeptanz für die Grundlagen” gestellt haben. Aufgrund der Produktausrichtung an vielfältiger Nützlichkeit und an etablierten natürlichen Idealvorstellungen wird das Verfahren als solches allgemein akzeptiert werden. Die Entwicklung des Verfahrens selbst zielt selbstverständlich auf wesentlich weitergehende postevolutionäre ästhetische Organik.

Ein besonderes Angebot wird die OeE on demand sein. Hier können natürliche organische Einheiten ihre Reproduktionen nach ihren Wünschen generieren lassen. Dafür wird deren Gensatz analysiert und entsprechend rational-logischer Möglichkeiten, beraten von unserer Gestaltungsspezialisten, wunschgemäß projektiert. Durch dieses Angebot wird ermöglicht, daß entsprechend materiell potente natürliche Einheiten ihre Fortsetzung in einer postevolutionären Entwicklung haben können. Die oee on demand unterliegen allerdings wie alle Produkte des Ibga dem Internationalen Gesetz für biogenetische Erzeugnisse und sind auch wegen des weltweiten Musterschutzanspruchs des Ibga nicht natürlich fortpflanzungsfähig.

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